Das Arbeitszeugnis ist weit mehr als nur ein formelles Dokument; es ist Ihre professionelle Visitenkarte für die berufliche Zukunft und ein entscheidender Faktor in jedem Bewerbungsprozess. Viele unterschätzen die Bedeutung der genauen Formulierungen und die "Geheimsprache", die sich oft hinter scheinbar wohlwollenden Phrasen verbirgt.
Ein entscheidender Grund, warum viele Bewerber ihre Arbeitszeugnisse nicht korrekt interpretieren. Dies kann dazu führen, dass ein vermeintlich gutes Zeugnis in Wirklichkeit eine mittelmäßige oder sogar schlechte Bewertung darstellt, was Ihre Jobchancen erheblich schmälern kann. Wir zeigen Ihnen, wie Sie die verborgenen Botschaften entschlüsseln, Ihr Zeugnis optimal nutzen und gegebenenfalls Korrekturen einfordern.
Jeder Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen gesetzlichen Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis (§ 109 GewO). Dieses muss nicht nur Art und Dauer der Tätigkeit, sondern auch Leistung und Verhalten umfassen. Es ist ein wertvolles Dokument, das Ihnen zusteht.
Das Zeugnis muss wohlwollend formuliert sein, aber gleichzeitig der Wahrheit entsprechen. Es gliedert sich typischerweise in Abschnitte über die persönlichen Daten, die Positionsbezeichnung, die Aufgabenbeschreibung, die Leistungsbeurteilung, die Verhaltensbeurteilung und die Schlussformel. Bereits der Aufbau kann erste Hinweise geben.
Die bekannteste Herausforderung ist die Interpretation der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Von "stets zur vollsten Zufriedenheit" (sehr gut) bis "im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit" (ausreichend) – jede Nuance zählt und hat eine feste Bedeutung in der HR-Sprache.
Achten Sie auf fehlende Elemente, zu kurze Formulierungen oder passive Formulierungen. Auch das Fehlen einer Schlussformel kann ein negatives Signal sein.
Im Arbeitsrecht hat sich eine Art Standardisierung der Formulierungen etabliert, um Leistungen und Verhalten zu bewerten. Diese Codes sind für Laien oft schwer zu durchschauen, für erfahrene Personaler jedoch sofort erkennbar. Die folgende Tabelle hilft Ihnen, die gängigsten Floskeln und ihre tatsächliche Bedeutung zu verstehen. Das Wissen um diese Nuancen kann den Unterschied zwischen einer erfolgreichen Bewerbung und einer Absage ausmachen.
Formulierung im Zeugnis | Wahre Bedeutung (Note) |
---|---|
"Stets zur vollsten Zufriedenheit" | Sehr gut (Note 1) |
"Stets zu unserer vollen Zufriedenheit" | Gut (Note 2) |
"Stets zu unserer Zufriedenheit" | Befriedigend (Note 3) |
"Im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit" | Ausreichend (Note 4) |
"Hat sich bemüht, die Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen" | Mangelhaft (Note 5) |
"War gesellig und trug zur guten Arbeitsatmosphäre bei" | Hat gerne gefeiert / Alkoholprobleme |
"Hat alle Aufgaben ordnungsgemäß erledigt" | Hat nur das Nötigste getan, keine Eigeninitiative |
"Wegen seiner Pünktlichkeit bekannt" | Keine anderen nennenswerten Stärken |
"Zeigte Verständnis für seine Aufgaben" | Hat nicht mehr als das Nötigste verstanden |
"Erfüllte die Erwartungen in jeder Hinsicht" | Durchschnittliche Leistung |
Wie Sie sehen, können scheinbar neutrale oder sogar leicht positive Formulierungen in der "Zeugnissprache" eine ganz andere, oft negative, Bedeutung haben. Personalverantwortliche sind in der Regel geschult, diese Codes zu erkennen. Daher ist es für Sie essenziell, die wahren Botschaften Ihres Zeugnisses zu verstehen. Nur so können Sie einschätzen, ob Ihr Zeugnis Ihre Leistungen fair widerspiegelt und Ihnen bei Ihrer Jobsuche wirklich hilft.
Wenn Sie feststellen, dass Ihr Arbeitszeugnis Sie nicht angemessen widerspiegelt oder sogar negative versteckte Botschaften enthält, haben Sie das Recht auf Korrektur. Viele Arbeitnehmer scheuen diesen Schritt, doch es ist entscheidend, für Ihr berufliches Ansehen einzustehen.
Eine erste Bitte um Nachbesserung sollte stets schriftlich und höflich, aber bestimmt erfolgen. Schildern Sie konkret, welche Formulierungen Sie als unzutreffend empfinden und schlagen Sie gegebenenfalls alternative Formulierungen vor, die Sie als angemessen erachten. Oftmals ist dies bereits ausreichend, um eine Überarbeitung zu erwirken.
Sollte der Arbeitgeber sich weigern, das Zeugnis zu korrigieren, können Sie rechtliche Schritte einleiten. Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage können Sie auch die Korrektur des Zeugnisses einklagen. Wichtig ist hierbei die Einhaltung der Fristen: Die Klage muss in der Regel innerhalb von drei Wochen nach Erhalt des Zeugnisses beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Sie hierbei unterstützen und Ihre Chancen auf ein besseres Zeugnis realistisch einschätzen. Bedenken Sie, dass ein schlechtes Zeugnis Ihre berufliche Zukunft erheblich beeinträchtigen kann – es lohnt sich also, dafür zu kämpfen.
Lassen Sie Ihr Arbeitszeugnis immer von einem Experten prüfen, bevor Sie es für Bewerbungen nutzen. Das kann Ihnen viel Ärger ersparen.
Das Arbeitszeugnis ist kein bloßes Schriftstück, sondern ist der entscheidende Nachweis Ihrer beruflichen Historie. Es ist Ihr Aushängeschild, das potenziellen neuen Arbeitgebern auf einen Blick Ihre Kompetenzen, Leistungen und Ihr Verhalten aufzeigt. Das Wissen um die oft versteckten Botschaften der Zeugnissprache ist dabei unerlässlich, um das eigene Zeugnis richtig einordnen und gegebenenfalls korrigieren zu können.
Investieren Sie Zeit in die Prüfung und Optimierung Ihres Arbeitszeugnisses, denn es ist eine Investition in Ihre berufliche Zukunft. Ein aussagekräftiges, positives Zeugnis kann Ihnen die Türen zu neuen Chancen öffnen und Sie auf Ihrem Karriereweg maßgeblich voranbringen.